21.6.2019 - 20:48 Uhr
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Dr.Sauna
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„Thermae Boetfort“ liegt im Ortsteil Melsbroek der Gemeinde Steenokkerzeel in Flämisch-Brabant, unmittelbar nördlich vom Brüsseler Flughafen Zaventem, zu erreichen über die Ringautobahn R0. Die Einfahrt zum (kostenlosen) Parkplatz der Anlage liegt ein wenig versteckt und etwas ungeschickt angelegt inmitten eines verkehrsberuhigten Wohngebiets. Er besteht komplett aus grasumwuchertem (aber gepflegtem) Pflaster und stimmt mit seinem Grün gleich darauf ein, was einen in der Saunaanlage erwartet.
Man hält vom Parkplatz auf das Schloß zu, wo sich rechts der Eingang (mit eingebauter Stolpergefahr) befindet. Vorab: Die Anlage ist nicht im mindesten barrierefrei, was man bei einem 400 Jahre alten Gebäude auch nicht erwarten kann. An der Rezeption wird man lt. der Internetseite nach seinem Ausweis gefragt, den ich als Hotelgast aber nicht vorlegen mußte. Man erhält hier ein Chiparmband, worauf Eintritt und sämtlicher Verzehr gespeichert werden. Bezahlt wird erst beim Hinausgehen. Auch Handtücher, Bademäntel und Badesandalen kann man hier ausleihen. Man erhält einen Hinweis, welchem Terminal man zugewiesen wird.
Man überquert nun einen kleinen Innenhof und hält geradewegs auf eine steile Treppe zu, die in die Kellerräume des Schlosses führen, worin sich nun die Umkleiden befinden. Sie sind linker Hand in offenen Gruppen eingeteilt, und mehrere Terminals für die Auslesung der Armbänder stehen bereit. Hat man „seines“ erreicht, hält man sein Armband daran und erhält die zugewiesene Schranknummer angezeigt, die dann für kurze Zeit zu öffnen ist. Hält man das Armband an das falsche Terminal, wird nur eine Fehlermeldung angezeigt. Bei den Schränken handelt es sich um halbhohe Metallspinde, die problemlos die Kleidung fassen, aber keine großen Saunataschen, was aber kein Problem darstellt, da Taschenablagen im Saunabereich vorhanden sind.
Um dorthin zu gelangen, geht man den Gang ganz durch, am Eingang zum Textilbereich „Curia“ (auf deutsch soviel wie „Residenz“) vorbei bis zum Eingang zum „richtigen“ Saunabereich namens „Moenia“ (in etwa „Festung“). Hier findet man links zunächst einen Duschbereich zur Vorreinigung vor, es sind Seifenspender vorhanden. Vorbei an zwei Fußduschen mit übereifrigem Bewegungsmelder kommt man bereits zum ersten Schwitzraum, dem Dampfbad, dem größten, das ich bislang gesehen habe. Es dürfte etwa 40 bis 50 m² an Fläche haben, ist sehr düster (Vorsicht, wenn die Augen sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt haben!) und paßt damit wunderbar in das alte Gewölbe, in dem es untergebracht ist. Sitzbänke sind in zwei Stufen vorhanden, etliche Schläuche zur Vorreinigung stehen zur Verfügung. Dreimal täglich finden hier Salzeinreibungen statt, wobei sich hier die Saunameister nicht darauf beschränken, nur das Salz auszugeben, sondern auch noch vorher und nachher den ohnehin schon reichlich vorhandenen Dampf kräftig zu verwedeln.
Ein paar Stufen hinauf, und man findet rechts zwei tiefe Taschenregale vor, die durch die Tür der ersten Sauna, der Salzsteinsauna mit 65 °C, getrennt werden. Auch hier ist es sehr düster. Der letzte Aufguß des Tages findet hier statt, in meinem Falle mit gefühlten zehn Runden, die ich aber trotz der vermeintlich niedrigen Temperatur der Sauna nicht bis zum Schluß ausgehalten habe. Auch auf das im Anschluß auf der Terrasse angebotene Getränk verzichtete ich dankend. Ein großer Gong hängt über dem Ofen mit ebenfalls riesigen Steinen; in die Wände sind hinterleuchtete Salzsteine eingelassen.
Links ist ein weiterer Duschbereich, wobei nur die letzte am Schwalleimer Kaltwasser spendet. Daneben ist der Aufgang ins Erdgeschoß. Oben angekommen steht man direkt vor dem Monitor, auf dem die Aufgüsse des Tages angezeigt werden, bisweilen auch falsch. Zumindest bei meinem Besuch wurde für 14 Uhr ein Aufguß angekündigt, der aber nicht stattfand und später vom Plan verschwunden war. Wendet man sich nach links, gelangt man in die Bar, deren Getränke man sich auch im Obergeschoß auf bequemen Liegen servieren lassen kann. Die auf dem Wegeweiser angegebene „Stallsauna“ ist nicht mehr vorhanden und wird auch auf der Internetseite nicht mehr aufgeführt. Geradeaus hingegen erwartet den Gast eine große beheizte Kachel-Sitzbank vor einem warmen Fußbad, beheizte Kachelliegen sowie die 90 °C heiße „Euka-Sauna“, die im Netz aber als „Flüster-Sauna“ bezeichnet wird, weil man darin sich leise unterhalten dürfte. Zumindest bei meinem Besuch tat das aber niemand, obgleich während meines Aufenthalts bis zu acht Personen gleichzeitig sich darin befanden. Auch Aufgüsse fanden hier, entgegen den Angaben im Netz, nicht statt.
Eine Treppe hinab führt, vorbei an der „Vier-Therapien-Sauna“, eine offene Infrarotkabine mit Farblichtwechsel und Salzboden, und dem Eisbrunnen zur 80 °C warmen „Minensauna“, die einen sehr niedrigen Eingang hat und am Ende mit einer überraschenden Größe aufwartet. Dort fand der heißeste Aufguß des Tages statt. In fünf Runden verausgabte sich auch der Saunameister mit kräftigem Wedeln teils mit Fächer, teils mit einem angefeuchteten Handtuch.
Am anderen Ende des Ganges gelangt man zu dem außen gelegenen Abkühlbereich mit zwei Kaltduschen und einem Frischwasser-Kalttauchbecken, dessen Wasser wirklich eiskalt war und in den kleinen Bachlauf abfließt, dessen anderes Ende man vom Panoramafenster der großen, 75 °C warmen „Schloß-Sauna“ bewundern kann. Um zu ihr zu gelangen, geht man von dem Außen-Abkühlbereich in den Wald hinein, vorbei an dem Ruhehaus, worin die Liegen wie an einer Perlenschnur in einer langen Reihe nebeinanderstehen und geht an der Gabelung nach rechts. Die Sauna befindet sich dann auf der linken Seite. Ein Duschbereich ist auch hier zu finden. In dieser Sauna finden die meisten Aufgüsse statt; die Gäste finden hier auf drei Sitzebenen mit sehr hohen Stufen Platz. Der Ofen befindet sich ein wenig ungünstig plaziert in der hinteren Ecke, so daß dort immer Plätze frei bleiben müssen, damit der Saunameister auch rankommt. Hier wurde in vier Runden aufgegossen und wiederum tw. sehr heftig mit feuchtem Handtuch, Fächer und Fahne verwedelt (übrigens von demselben Saunameister, den man auf der Internetseite in Aktion sehen kann). Im Anschluß gab es große Orangen-Happen. Geht man den Weg an dieser Sauna vorbei weiter, kann man einen schönen Spaziergang durch den Wald, vorbei an sehr gepflegtem Rasen und einer riesigen Blutbuche, die ihrer Stammdicke nach bestimmt ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel hat, unternehmen. Allerdings sollte man dies lieber mit Latschen tun, da erstens die Wege mit Schotter belegt sind und zweitens viele Schnecken auf den Wegen umherkriechen.
Biegt man auf besagtem Weg vor der Schloß-Sauna links ab, muß man rechts auf ein unauffälliges Schild achten, das einem den Weg zur „Eiskeller-Sauna“ zeigt. Schon auf der Internetseite wird man hier aufgefordert, diese Sauna, die teilweise unterirdisch ist, zu suchen, da sie sich „ein bißchen versteckt im Grünen“ befände. Es handele sich hierbei um den ehemaligen Eiskeller des Schlosses (daher der Name) und angeblich fände der letzte Aufguß des Tages hier statt (was allerdings nicht der Fall war). Bei 70 °C kann man hier in nebelfreiem Gewölbe schwitzen.
Geht man an der Eiskeller-Sauna vorbei geradeaus, hält man auf das Schloß zu, worin sich die Gastronomie befindet. Bei schönem Wetter bietet sich ein Platz auf der Terrasse an. Die Karte ist speziell in Sachen Getränke umfangreich. Die Gerichte sind nicht billig, aber gemessen an den Portionen und der professionellen Präsentation in jeder Hinsicht preiswert. Am Schloß vorbei hält man auf die große Terrasse zu, deren Mittelpunkt das große beheizte Schwimmbecken mit dem Whirlpool in der Mitte ist. Daneben befindet sich ein weiterer Whirlpool (wie sein Pendant im Schwimmbecken mittels Knopfdruck einzuschalten) sowie ein einfaches Warmwasser-Sitzbecken. Außerdem sind rund um die Becken Liegen in großer Zahl aufgestellt.
All diese Einrichtungen sind textilfrei zu nutzen; für das Publikum „plus pudique“ gibt es noch den eingangs erwähnten Bereich „Curia“ mit drei maximal 70 °C warmen Saunen, einem Dampfbad sowie einem Infrarot-Faß. Alles ist hier viel kleiner und weitaus weniger frequentiert als der „richtige“ Sauna-Bereich. Auch der Zugang zur Gastronomie erfolgt quasi durch den Dienstboten-Eingang. Einzig das Entspannungsbad mit seinen Unterwasserliegen hätte mich gereizt, denn so etwas habe ich im FKK-Bereich vermißt.
Insgesamt handelt es sich hier um eine wirklich einzigartige Saunaanlage, die geschickt die Eigenheiten des Gegebenen in Form des Schlosses und des riesigen Parks einzubinden weiß. Ein Besuch ist aber m. E. nur bei schönem Wetter zu empfehlen, denn Ruheräume gibt es im Innenbereich keine, und der Raum im Wald ist z. B. bei Sturm nicht zu nutzen.
Sehr gut fand ich die Disziplin der Saunabesucher vor den Aufgüssen bzw. wie der Betreiber seine Besucher „erzogen“ hat: Alle Gäste warten vor (!) der Sauna, bis der Saunameister den Zugang mittels Ansage freigibt (einzige Ausnahme hier ist die Salzanwendung im Dampfbad). Alle gehen geschlossen hinein, Platzprobleme gab es nicht (wobei im Sommer bei sonnigem Wetter ohnehin weniger Andrang herrscht als in der winterlichen Hochsaison). Etwas enttäuschend fand ich die Saunameister an sich, die total gelangweilt und vernuschelt ihre Texte auf Flämisch und Französisch (entweder nacheinander oder in Marlène-Charell-moderiert-den-ESC-1983-Manier Satz für Satz) runterleierten und auch sonst mit unbewegter Miene über das Gelände streiften, aber wenigstens ihre Aufgüsse professionell durchführten. Allerdings tut sich in Sachen Aufguß in der Regel auch vor 15.30 Uhr nichts. Das Publikum bestand größtenteils aus frankophonen Walloniern (Männlein wie Weiblein in ausgeglichenem Verhältnis), weswegen man schon an der Rezeption häufig gleich auf Französisch angesprochen wird. Deutschkenntnisse darf man vom Personal nicht erwarten, allenfalls kann man sich mit Englisch behelfen, Niederländisch wäre natürlich ideal. Geöffnet ist täglich von 10.30 Uhr bis Mitternacht, es herrscht täglich gemischter Betrieb. Die Tageskarte kostet 31,90 €. |